James Joyce und Nora Barnacle © Image courtesy of the Poetry Collection of the University Libraries, University at Buffalo, The State University of New York

James Joyce in Zürich

Redaktion Ann Mbuti
Redaktion Ann Mbuti

Zum 100-jährigen Jubiläum von «Ulysses» feiert Zürich «seinen» Jahrhundertroman, denn der irische Autor Joyce verfasste ihn in der Limmatstadt.

Am Anfang der engen Beziehung, die James Joyce mit Zürich haben sollte, stand ein Missverständnis. 1904 reiste der damals 22-Jährige mit seiner künftigen Frau Nora Barnacle ins selbstgewählte Exil, um einen Job als Englischlehrer in Zürich anzutreten. Doch kurz nach ihrer Ankunft stellte sich heraus, dass es diese Stelle gar nicht gab. Für die nächsten Jahre landete das Paar in Triest, bis sich die politische Lage für die irische Familie als «feindliche Ausländer» mit britischen Pässen so zuspitzte, dass sie 1915 zurückkehrte. Inzwischen waren ihre beiden Kinder geboren und der Erste Weltkrieg hatte begonnen. In Zürich traf Joyce auf Unterstützer:innen und Gleichgesinnte wie die britische Autorin Harriet Shaw Weaver, die seine Mäzenin wurde und ihm jenen Freiraum schuf, dank dem er sich auf das Schreiben konzentrieren konnte.

Zürich ist stolz auf seine Joyce-Vergangenheit, denn in der Limmatstadt ist ein bedeutender Teil von «Ulysses» geschrieben worden. Der Roman bildet das Hauptwerk des irischen Schriftstellers und ist längst als Paradebeispiel des modernen Romans in die Literaturgeschichte eingegangen. Heute kann man ehrfürchtig die Fassade der Universitätsstrasse 38 bestaunen – jenes Zürcher Zuhause, in dem Joyce von Januar bis Oktober 1918 am Roman arbeitete. Vor genau 100 Jahren ist «Ulysses» in Paris veröffentlicht worden, nachdem mit Joyce’ 40. Geburtstag die von ihm gesetzte Deadline für die Fertigstellung des Romans abgelaufen war.

Eine moderne Odyssee

«Ulysses» überführt die berühmten Irrfahrten des Odysseus aus der antiken Mythologie ins frühe 20. Jahrhundert und auf rund eintausend Seiten nach Dublin. Die Erzählung kreist um einen Tag im Leben des Anzeigenverkäufers Leopold Bloom in der irischen Hauptstadt: Die Lesenden begleiten Bloom am Donnerstag, den 16. Juni 1904 – genau der Tag, an dem der Autor im echten Leben seine Frau kennenlernt – vom Frühstückstisch bis zum nächtlichen Bordellbesuch. Inzwischen wird der Tag jedes Jahr von Fans als Bloomsday wie ein Feiertag begangen.

Der Aufbau der Geschichte ist an die homerische Odyssee angelehnt: 18 Episoden reihen sich zu einem teils schwindelerregenden Streifzug durch Dublin aneinander. Jede Episode unterscheidet sich stilistisch von der vorangegangenen und teilen ungefiltert die Gedankenwelt der Figuren. Das Lesen wird daher oftmals mit einem Spaziergang durch das Buch verglichen.

Viele Lesebegeisterte scheitern an der der Fülle an Gedanken, Imaginationen und Assoziationen, doch das Ulysses-Jahr bietet zahlreiche Gelegenheiten, sich Blooms Irrungen und Wirrungen gezielt zu nähern … 

 

 

Jubiläumsausstellung im Strauhof

Die Jubiläumsausstellung im Strauhof bietet eine ganz eigene Art von Spaziergang durch das komplexe Werk an: Anhand von 100 Objekten werden die 18 Kapitel und ihre Entstehungsgeschichte erfahrbar gemacht.

«Ulysses»-Verlegerin Sylvia Beach und James Joyce ind Beaches Buchhandlung «Shakespeare and Company», 1922 | Image courtesy the Poetry Collection of the University Libraries, University at Buffalo, The State University of New York

Strauhof

Ulysses von 100 Seiten

Am 2. Februar 1922 erschien James Joyces Jahrhundertroman «Ulysses». Die Ausstellung präsentiert das Buch wie die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte.

Dauerausstellung

Querlesen mit Fritz Senn (12 Mal)

Wahrheit, Dichtung, Vergangenheit und Gegenwart liegen nah beieinander – und wer noch einen sanften Einstieg in die Welt des Leopold Bloom sucht, dem sei die Lesegruppe um den Direktoren und Gründer der Zürcher James Joyce Stiftung, Fritz Senn, ans Herz gelegt. Wer sich wagt, wird mit einem Meisterwerk der Moderne belohnt.

Erste Seite der Ulysses-Ausgabe bei Random House, 1934

Strauhof

«Ulysses» mit Fritz Senn

«Reading Group» (De/En). Quer durch den «Ulysses» in 12 Wochen.

Leseperformance JoyceDada!

Als Joyce während des 1. Weltkriegs in Zürich an «Ulysses» schrieb, machten hier die Dadaist:innen Furore, die das Cabaret Voltaire bespielten und die Zürcher Bourgeoisie aufschreckten. Joyce war zwar kein Dadaist, war nie Anhänger von -Ismen, obschin man voneinander wusste. Er hielt sich davon fern, indem er gleich alle umfasste – und so blieben auch die Wort­revoluzzer von der Spiegel­gasse nicht ohne Wirkung auf «Ulysses»: In Joyces fröhlicher Vielfalt hat Dada ein deutliches Echo. Die eine Seite seines Humors hat eine Zürcher Note.

JoyceDada! Ein Echoraum

Strauhof

JoyceDada! Ein Echoraum

Lesemosaik zu Dada und einem der witzigsten Romane der Moderne.

Ulysses-Universum als Graphic-Novel

Der Wiener Zeichner und Künstler Nicolas Mahler hat 2020 Joyces ausuferndes «Ulysses»-Universum in den minimalistischen Stil seiner Comics zu übertragen. Der Plot ist stark vereinfacht, «Ulysses» wird von Dublin nach Wien versetzt, aus Bloom wird «Wurmb». Und doch kommt Mahler Joyces Roman sehr nahe: Seine Technik, das Original wie Filmmaterial zu schneiden, redigieren und montieren, entspricht Joyces ästhetischen Verfahren.

«Ulysses» als Graphic Novel

Strauhof

«Ulysses» als Graphic Novel

Der Zeichner und Autor Nicolas Mahler spricht über seine Literaturadaption. Moderation: Ulrich Blumenbach

Authentisch speisen im James Joyce

Im stilvollen Zürcher Pub James Joyce stammt das Interieur aus der Bar des Jury's Hotel in der Dame Street im alten Teil Dublins, das Anfang der 1970er-Jahre einem Neubau weichen musste. 1978 ist die viktorianische Inneneinrichtung der Jury's Antique Bar nach Zürich gebracht worden. An ihrem alten Standort, lange bevor Joyce etwas von ihrem zukünftigen Schicksal wissen konnte, hat die Bar ihren Auftritt in «Ulysses». Bloom ist auf dem Weg zu einer Beerdigung und seine Gedanken schweifen zu der Geliebten eines Mittrauernden: «What is this she was? Barmaid in Jury's…?»

Zur Website des Pubs 

Von Ann Mbuti am 27. Januar 2022 veröffentlicht.

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