Mein erstes Mal ... im Museum Rietberg

Redaktion Gretta Bott
Redaktion Gretta Bott

In dieser Reihe besuchen Autor:innen Orte und suchen Erlebnisse, die sie noch nicht kennen – und berichten von ihrer «Premiere».

Bevor nun jemand den ersten Stein wirft: Ich weiss, dass alle einen solchen Ort auf ihrer To-do-Liste haben. Ausreden gibt es viele: Keine Zeit, falscher Stadtteil, den Fuss gebrochen. Was mich betrifft, schüchtert mich das Museum Rietberg ein. Der herrschaftliche Park, die prunkvolle Villa Wesendonck: Alles schreit nach Klassik und Hochkultur und damit nach vielem, womit ich mich nicht in erster Linie identifiziere. Rietberg verbinde ich mit Ethnologie und Anthropologie, mit etwas öden Opferschälchen und Wandteppichen aus fernen Zeiten. Mit Artefakten, die fernab von ihren Fundorten und ausgestellt in einem Museum für mich nicht den gleichen Reiz haben wie eine uralte Marmorplatte auf der Akropolis, auf der ich heute stehen kann und auf der vor 4000 Jahren schon Menschen gingen.

Wie gross ist meine Überraschung, als ich sehe, dass die Sonderausstellung «Flow» die Manga-Kultur Japans behandelt. Obwohl mich die Ausstellung magisch anzieht – ich liebe alle Arten von Illustration –, gebe ich zuerst der Sammlung eine Chance. Die Jahrhunderte alten, filigran gearbeiteten Schmuckstücke – etwa ein mit Edelsteinen besetzter Zahnstocher-Behälter –, lebensechte Masken aus China und Glück oder Heil versprechende Figuren aus Afrika, Indien oder dem Iran, sind ungemein fesselnd. Ich gehe gar so weit zu behaupten, dass jede:r die Guanyin aus dem 12./13. Jahrhundert gesehen haben muss! Diese scheint in ihrer «Haltung königlicher Lässigkeit» (das steht da wortwörtlich) alle im Raum zu beobachten. Am liebsten würde ich einen öffentlichen Wettbewerb veranstalten: Wer hält dem unheimlichen Blick der Figur am Längsten stand?

Die Ausstellung zu den Mangas ist ein Geschenk: Ich wusste natürlich, dass man ein Manga – in unserer Leserichtung – von hinten beginnt. Dass aber die Bilder sowie die Sprechblasen unabhängig voneinander einen Flow kreieren, war mir neu. Und auch, wie die Manga-Tradition entstanden ist. Danach in einer Auswahl von diversesten Manga-Büchern zu blättern und mich im Museums-Shop mit sorgfältig ausgewählten Stiften und japanisch gebundenen Notizbüchern einzudecken, versüsst mir diesen nebligen Wintersamstag auf eine unerwartet freudige Art und Weise.

Mein Fazit: Ich empfehle die Ausstellung «Flow», die noch bis am 30. Januar zu sehen ist. Und zweitens: Besucht die Guanyin und erzählt mir doch, wie lange ihr ihrem Blick standhalten konntet!

Von Gretta Bott am 01. Januar 2022 veröffentlicht.

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