Nigelnagelnaegeli

Redaktion Gretta Bott
Redaktion Gretta Bott

Mein Tipp gegen Langeweile oder Kater: Eine Naegeli-Schatzsuche. Keine Regeln, kein Zeitlimit, nur spitzbübisches Vergnügen. 

Bewegung und frische Luft: Seit Jahren sind das meine einzigen wirklich hilfreichen Katermittel. Meistens geht's ab in den Wald, letzten Samstag aber kam mir wieder einmal Harald Naegeli in den Sinn. Den «Sprayer von Zürich» bewundere ich seit Uni-Zeiten, als ich seine Undine an der Fassade des Deutschen Seminars kennenlernte und recherchierte, was es mit der neugierig blickenden Figur auf sich hat. 

Undine und ich kennen uns aus Studientagen. Sie ist vom Rechberg Park aus an der hinteren Wand des Deutschen Seminars gut zu sehen: 

Protest gegen Trostlosigkeit

Naegeli wurde Ende der 70er-Jahre als obengenannter Sprayer von Zürich bekannt, weil er mit Strichfiguren jene Gebäude und Mauern Zürichs besprayte, die er als besonders hässlich und/oder trostlos empfand. Alleine die ETH-Parkgarage erhielt so über 40 Werke. Was heute als besonders schützenswert gilt – bei der Renovierung der ETH-Garage wurden die Graffitis herausgespitzt, restauriert und wieder eingesetzt –, sorgte in den Anfängen für hochrote Köpfe. Hauseigentümer:innen und Politik betrachteten Naegelis Strichfiguren als Schmierereien, liessen sie entfernen und begannen, Naegeli zu jagen. Das Ganze wurde zu einem regelrechten Katz-und-Maus-Spiel, in deren Folge sich Naegeli zu Freund:innen nach Deutschland absetzte, weshalb heute auch in Düsseldorf echte «Naegelis» zu finden sind. 

Einige Aufnahmen meines Naegeli-Spaziergangs:

Leicht und tanzend

Bei Undine gefällt mir ihre Leichtigkeit: Der Naturgeist scheint zu schweben, zu lächeln und die Parkbesuchenden neugierig zu beobachten. Was so ein einzelner Strich doch auslösen kann! Tatsächlich sind Naegelis Figuren häufig in einer einzigen Strichbewegung gesprayt, sekundenschnell, präzis. Nur selten setzt Naegeli ab, was wirklich beeindruckend ist. 

Auf meinem Spaziergang orientiere ich mich übrigens an einer grossartigen digitalen Stadtkarte, auf der alle «Naegelis» eingetragen sind, die heute noch zu sehen sind, aber auch diejenigen, die leider entfernt wurden: sprayervonzrich.com

Dank dieser Karte entdecke auch ich mir bisher unbekannte Werke – Nigelnagelnaegelis sozusagen – was mir jedes Mal ein spitzbübisches Vergnügen bereitet. Manchmal erwische ich mich sogar dabei, wie ich alleine giggelnd einen wahrscheinlich ziemlich irren Eindruck vermittle.

Auf einer Führung des Musée Visionnaire konnte ich die ETH-Parkgaragen-Werke vor ihrer Renovierung entdecken. Dabei lernte ich, dass diese Zeichnung eines Fischmenschen zwar eindrücklich aussieht, aber kein richtiges Original mehr ist: 

Ersichtlich wird das, je näher die betrachtende Person an die zwei nebeneinander stehenden Figuren herangeht:

Naegelis Originale sind schnell und in einer fliessenden Bewegung gesprayt, warum die schwarze Farbe beim Original (1. und 3. Bild) unterschiedlich dicht gesprayt ist und teilweise noch «verläuft». Die Striche beim Fischmensch (2. Bild) sind hingegen wie mit einem Pinsel sehr genau gezeichnet und enden auch brav am Randstein. Grenzen, die Naegeli oft und gerne ignorierte. Seine Figuren gehen gerne mal um's Eck, wie auf dem 3. Bild zu sehen ist. Wer hier mit dem Pinsel nachgeholfen hat, daran erinerre ich mich nicht mehr. Ein Grund mehr, auf eine Naegeli-Stadtführung zu gehen. 

Mehr über Harald Naegeli erfahren:

Ich könnte stundenlang über Naegeli referieren. Seine Graffitis sind augenzwinkernde Protestaktionen, die mir unglaublich gut gefallen. Ich empfehle euch daher unbedingt, mehr über Harald Naegeli zu erfahren. In den nächsten Tagen bietet sich die Gelegenheit gleich mehrfach: 

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Zürich

Von Gretta Bott am 23. Mai 2024 veröffentlicht.

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