«Die Darstellung von Sexualität ist Bestandteil menschlicher Kultur»

Der Vorverkauf der 11. Porny Days ist gestartet. Die Macher:innen über gesellschaftliche Realitäten, Neoprüderie und den Fokus: Sexarbeit.

Warum soll ich die Porny Days besuchen, wenn ich selber keine Pornos schaue?
Vielleicht hast du noch nicht die richtigen Filme gefunden, die dir gefallen, dich inspirieren, oder in denen du dich repräsentiert siehst. Bei uns könntest du jedenfalls fündig werden. Die Porny Days bieten nicht nur pornografische Inhalte, sondern auch Dok- und Animationsfilme, Performances, Paneldiskussionen und Workshops, die sich mit Sexualität, Gender, Körper- und Rollenbildern beschäftigen.

Und warum sollte ich mich damit beschäftigen?
Die Darstellung von Sexualität war schon immer Bestandteil menschlicher Kultur – eine, mit der auch viel Geld gemacht wird. Deswegen ist die Monetarisierung von Sexualität auch ein Schwerpunktthema dieser Festivalausgabe. Sexualität ist persönlich, intim und zugleich sehr politisch. In diesem Spannungsfeld bewegt sich unser Festivalprogramm.

Okay, okay. Aber zurück zu den Pornos. Was zeigt ihr?
Eine Auswahl an verspielten, heissen, tiefgründigen, humorvollen, feministischen Pornos, auf die wir ziemlich stolz sind.

Auf eurer Website habe ich das Wort «Neoprüderie» entdeckt. Was ist das?
Heutzutage begegnen wir im Alltag ständig hypersexualisierten Bildern und der Zugang zu pornografischen Inhalten ist so einfach wie nie. Die Offenheit gegenüber Sexualität hat sicher zugenommen. Gleichzeitig findet gerade ein reaktionärer, konservativer Backlash statt, der dazu führt, dass immer mehr Menschen keinen Raum für ihre individuelle, sexuelle Entfaltung finden. Mit unserem Festival wollen wir der Stigmatisierung von Sexualität, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten entgegenwirken.

Ein Fokus in diesem Jahr ist Sexarbeit: Warum? Und was bedeutet das für das Programm?
Sexarbeit ist eine gesellschaftliche Realität – und eine Arbeit, die Menschen aus unterschiedlichen Gründen oder Zwängen auf verschiedene Arten in einer kapitalistischen Gesellschaft leisten. Oft bleiben ihre Stimmen ungehört. Deshalb haben wir nach Filmen, Performances und Talk-Formaten gesucht, in denen Sexarbeiter:innen selbstbestimmt diverse Aspekte ihrer Arbeit in den Fokus stellen können. Dieses Jahr zeigen wir mehrere Filme zum Thema, es gibt einen Workshop und Performances. Im Workshop «Stigma Sexarbeit» zum Beispiel räumen zwei Mitglieder des Schweizer sexworkers collective mit Mythen rund um Sexarbeit auf. Und in der musikalischen Lecture-Performance «Gaze.S» erzählen die Sexarbeiter:innen Marianne Chargois und Romy Alyzée aus ihrem Arbeitsalltag.
 

Die Porny Days gibt es jetzt seit über 10 Jahren. Wie stark hat sich das Festival in dieser Zeit verändert? Wie das Publikum?
Vor 11 Jahren hat das Festival als kleiner «Porny Brunch» begonnen. Seitdem ist viel passiert! Heute sind wir in Zürich eine feste Institution – und unsere Themen haben die vermeintliche «Schmuddelecke» verlassen und sind Teil des kulturellen und gesellschaftlichen Diskurses geworden. Wir bespielen verschiedene Orte wie das Schauspielhaus, die Shedhalle, verschiedene Clubs und unsere Kinosäle sind fast restlos ausgebucht. Und auch unsere Gäste sind mit uns gewachsen: Wir erleben ein selbstbewusstes, diverses Publikum, das Freude an der Auseinandersetzung mit unseren Themen hat.

Was sind die filmischen Höhepunkte in diesem Jahr?
Ein Herzstück unseres Filmprogramms ist wie jedes Jahr der Kurzfilmwettbewerb, aus dem unsere Jury einen Gewinner:innenfilm auswählen wird. Nicht verpassen sollte man auch das Programm im Kino Xenix. Dort präsentieren wir den sexpositiven Teil der Retrospektive zum feministischen Filmkollektiv Xenia, das vom Ende der 1980er bis in die frühen 2000er Jahre die Zürcher Filmszene aufmischte. Mit dabei sind auch einige Raritäten!

Habt ihr noch einen Geheimtipp?
In Kooperation mit der Shedhalle Zürich laden wir die visionäre Multimediakünstlerin und Filmemacherin Shu Lea Cheang ans Festival ein. Wärmstens zu empfehlen ist auch unser Abschlussfilm Kokomo City von D. Smith. Er porträtiert vier schwarze Transfrauen, die offen über ihre Erfahrungen mit Sexarbeit sprechen.

Apropos Höhepunkte. Zum Schluss eine Schnellfrage. Was mögt ihr Porny-Days-Macher:innen lieber: Explizität oder Zweideutigkeit?
Explizite Zweideutigkeit! ;)

Beantwortet von Luisa Ricar (Filmauswahl), Emanuel Signer und Talaya Schmid (Festivalleitung)

Porny Days 2023

Kinos Riffraff & Houdini

Porny Days 2023

Dieses Jahr gibts wieder ein fesselndes Programm mit Filmen, Panels und einer Fokusreihe zum Thema Sexarbeit zu entdecken. Vorverkauf ist am 15.11.

Von Gabriella Alvarez-Hummel am 16. November 2023 veröffentlicht.

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